Bundestagswahl Vier Erkenntnisse aus dem TV-Duell
![Niklas Treppner und Theresa Münch, dpa](/build/images/placeholder/autor.be25fcdd.png)
![Nach einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen hat Scholz das Duell ganz knapp gewonnen. Foto: Michael Kappeler/dpa-Pool/dpa](/media/webartikel-image/6801169/image/9d014991801cb2dd439e-6a6ac6c117f967be.jpg)
Der kurze Bundestagswahlkampf hat seinen ersten Höhepunkt: Im Zweikampf schenken sich Kanzler Scholz und Herausforderer Merz nichts. Und sie schlüpfen in ungewohnte Rollen.
90 Minuten Debatte, oft faktenreich, teils bissig, das war das erste TV-Duell des Kanzlers und seines Herausforderers von der CDU. Beobachtet von fast einem Dutzend Kameras und wahrscheinlich Millionen Zuschauern von ARD und ZDF haben sich Olaf Scholz und Friedrich Merz zwei Wochen vor dem Wahltag nichts geschenkt. Wirtschaft, Migration, Donald Trumps Weltpolitik, gegenseitige Unterbrechungen, Vorwürfe. Doch hat das Duell bereits Weichen gestellt für einen Wahlsieg?
Der SPD-Kandidat Scholz stand mit dem Rücken zur Wand: In den Umfragen hatte Merz‘ Union vor dem Duell einen stabilen Vorsprung, sie lag bei 29 bis 34 Prozent, während Scholz‘ SPD seit Wochen bei 15 bis 18 Prozent festzuhängen scheint. Theoretisch hätte Scholz einen Befreiungsschlag schaffen, Merz aber auch seinen Sieg quasi fix machen können.
Doch um es vorwegzunehmen: Einer Schnellanalyse von Wahlforschern zufolge ist nichts davon passiert. Zwar sieht die Forschungsgruppe Wahlen den SPD-Politiker Scholz im Duell hauchdünn mit 37 zu 34 Prozent vorn. Doch fast jeder Dritte erlebte keinen Unterschied zwischen den beiden Kandidaten. Was man dennoch mitnehmen kann aus dem Duell:
Faktenfest? Vorbereitung ist alles
Scholz und Merz hatten ihre Hausaufgaben gemacht. Der Unionskandidat konnte sogar einen Spickzettel aus der Jacketttasche ziehen, um eine frühere Aussage von Scholz zur AfD zu zitieren. Er brachte offensichtlich mit Bedacht ausgewählte Beispiele, um seine Aussagen zu untermauern. Scholz dagegen argumentierte teils kleinteilig, konnte komplizierte Sachverhalte nicht immer einfach erklären.
Trotz aller Vorbereitung passierten auch inhaltliche Ungenauigkeiten: Für das vergangene Jahr müsse man einen Nachtragshaushalt machen, sagte Merz etwa - laut Bundesverfassungsgericht ist das jedoch nach Jahresende nachträglich nicht erlaubt. Außerdem warf Merz Scholz vor, „weit über zwei Millionen irreguläre Migranten nach Deutschland“ gelassen zu haben. Die Bundespolizei registrierte zwischen Dezember 2021 und Januar 2025 allerdings nur gut 313.000 unerlaubte Einreisen. Auch Scholz lag falsch, als er behauptete, im Januar 2025 habe es den niedrigsten Wert an Asylgesuchen seit 2016 gegeben.
Macht der Ton die Musik?
Scholz, der eigentlich für seine vorsichtige Kommunikation bekannt ist, musste angreifen - und tat das nach einem etwas zähen Start auch scharfzüngig. Mehrfach redete er einfach weiter, wenn eine der Moderatorinnen bereits die nächste Frage stellte. Er nannte Merz‘ Äußerungen wiederholt lächerlich, ließ sich auch mal aus der Reserve locken. Merz dagegen suchte betont die Rolle des Staatsmanns. Teils stellte er Scholz selbst Fragen. Meist blieb er nüchtern, ließ Attacken an sich abprallen. In Merz‘ Gesicht konnte man zugleich aber mehr Regung erkennen als bei Scholz, der höchstens mal die Lippen zusammenkniff.
Am Ende verabschiedeten sich beide per Handschlag, der Umgangston blieb zivil. Bei den befragten Zuschauern kam Scholz in der Summe ein wenig glaubwürdiger und sympathischer rüber. Beim Thema Sachverstand lagen beide Kontrahenten gleichauf.
Anders als in den USA: TV-Duell bewegt nicht viel
Merz vs. Scholz ist nicht Trump vs. Biden. Zwar erreicht ein Schlagabtausch im Öffentlich-Rechtlichen ein großes Publikum, anders als in den USA haben TV-Duelle in Deutschland aber nur einen begrenzten Einfluss auf die Wahlentscheidung. Ein Personenkult um die deutschen Kanzlerkandidaten ist hier auch nach der besten Performance schwer vorstellbar. Die Wenigsten dürften sich von einem Abend in ihrer Wahlentscheidung umstimmen lassen.
Überhaupt scheinen die politischen Lager laut Wahlforschern festgefahren zu sein. Seit Monaten verschieben sich die Verhältnisse in Umfragen kaum. Selbst nach der Empörung über die gemeinsame Abstimmung der Union mit der AfD im Bundestag und der folgenden bundesweiten Protestwelle blieben die Umfragewerte der Parteien daher nahezu unverändert.
Bei der SPD setzt man deshalb auch eher auf eine Aufholjagd in kleinen Schritten als auf die plötzliche Kehrtwende nach einem Schlagabtausch im Fernsehen. Letztere dürfte das Duell am Sonntagabend angesichts des nur hauchdünnen Vorsprungs von Scholz jedenfalls nicht gebracht haben.
Vierer-Runden haben andere Gesetze
Bis zur Bundestagswahl treten die Spitzenpolitiker noch in zahlreichen TV-Formaten gegeneinander an. Eines dürfte dabei hervorstechen: die Vierer-Runde der Sender RTL und ntv mit Scholz, Merz sowie Robert Habeck (Grüne) und Alice Weidel (AfD) am kommenden Sonntag.
Die Strategien aus dem Duell werden sich darauf kaum übertragen lassen. Zum einen, weil es mit vier Kandidaten im Studio schwerer fällt, gezielte Angriffe gegen die Kontrahenten zu starten. Zudem könnte es unübersichtlich werden, wenn die Spitzenpolitiker sich im Kampf um Redezeit gegenseitig ins Wort fallen. Davon konnten selbst die erfahrenen Talkshow-Moderatorinnen Maybrit Illner und Sandra Maischberger schon Scholz und Merz nicht konsequent abhalten.
Außerdem müssen sich Scholz, Merz und Habeck überlegen, wie sie mit AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel umgehen wollen. Eine Lagerbildung Rot-Grün vs. Schwarz und Blau wird Merz nach den vergangenen Wochen wohl tunlichst versuchen zu verhindern.