Serie „Fehntjer Geschichte(n)“ 100 Jahre Theater in Spetzerfehn – ein Dorf feiert

Hinrich Trauernicht
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Von Hinrich Trauernicht
| 15.02.2025 16:09 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
„Unner Napoleon“ hieß das erste Stück, das vor 100 Jahren aufgeführt wurde. Mit mehr als 20 Akteuren eine beachtliche Inszenierung. Foto: Archiv Hinrich Trauernicht
„Unner Napoleon“ hieß das erste Stück, das vor 100 Jahren aufgeführt wurde. Mit mehr als 20 Akteuren eine beachtliche Inszenierung. Foto: Archiv Hinrich Trauernicht
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Der Dreiakter „Mien Mann, de fohrt to See“ feiert am Freitag, 28. Februar 2025, Premiere. Alles begann vor 100 Jahren mit dem Gesangsverein „Concordia“, dessen Mitglieder nicht nur singen wollten.

Spetzerfehn - Seit 100 Jahren wird in Spetzerfehn Theater gespielt, doch ein Vereinsjubiläum gibt es nicht. Es waren verschiedene Vereine, Gruppen und Akteure, die im Dorf das plattdeutsche Theater über einen solch langen Zeitraum pflegten. Die Pioniere vor einem Jahrhundert waren die Mitglieder des Gesangvereins „Condordia“. Der Lehrer Richard Pundt hatte die Idee, dass man nicht nur singen, sondern auch Theater spielen könne. Weil es aber in Spetzerfehn keine Bühne gab, spielte man erstmalig im Saal Peters in Felde. „Unner Napoleon“ war das erste Stück, das die Spetzer öffentlich zeigten.

Diese zwölf Akteure wollen mit dem Dreiakter „Mien Mann de fohrt to See“ einen unterhaltsamen Abend bieten: (hintere Reihe, von links) Hermann Willms, Andreas Meinen, Dirk Ehmen, Lisa Feldhoff, Thorsten Brietzke, (mittlere Reihe, von links) Talea Brietzke, Insa Meinen, Gabi Zimmermann, Ingrid Tammen und (vorn, von links) Marco Fahnster, Johann Seeba und Eike Henninga. Foto: privat
Diese zwölf Akteure wollen mit dem Dreiakter „Mien Mann de fohrt to See“ einen unterhaltsamen Abend bieten: (hintere Reihe, von links) Hermann Willms, Andreas Meinen, Dirk Ehmen, Lisa Feldhoff, Thorsten Brietzke, (mittlere Reihe, von links) Talea Brietzke, Insa Meinen, Gabi Zimmermann, Ingrid Tammen und (vorn, von links) Marco Fahnster, Johann Seeba und Eike Henninga. Foto: privat

Das neueste Stück, das die Theatergruppe Spetzerfehn im Jubiläumsjahr auf die Bühne bringt, ist ein echter Klassiker. „Mien Mann, de fohrt to See“ lautet der Titel des plattdeutschen Dreiakters von Wilfried Wroost, der bereits 1983 und 2002 auf dem Spielplan stand. Gleich 14 Aufführungen sind im Saal des Bürgerhauses in Großefehn geplant. Seit Wochen übt eine zwölfköpfige Gruppe für das Stück. Am Freitag, 28. Februar 2025, um 20 Uhr hebt sich erstmals der Vorhang. Regie führt zum ersten Mal Thorsten Brietzke. Karten gibt es im Vorverkauf im „Club of Comfort“, ehemals Hosen Hinrichs, in Ostgroßefehn.

Als der Fußboden unter zu vielen Menschen krachte

1927 baute der Gastwirt Frerich Hinrichs einen Festsaal an sein „Gartenhaus“ an der Norderwieke an. Stücke wie „Pott will heiraten“, „All′ns för de Katt“ oder „De dulle Deern“ sorgten dort für volle Säle. Als der Lehrer Richard Pundt Spetzerfehn 1935 verließ, wurde sein Kollege Behrend Hoffmann Nachfolger als Spölbaas. Sogar während des Zweiten Weltkrieges wurde weiter gespielt. Als im „Gartenhaus“ das Stück „De Leev wer schuld daran“ von Gerd Hagen aus Spetzerfehn aufgeführt wurde, brach der Saalfußboden an mehreren Stellen – angesichts der vielen Menschen gab der Boden nach.

Wirbel um ein Baby: „Peper un Solt“ wurde 1985 aufgeführt. Es spielten (von links) Gerhard Heeren, Grete Heeren, Lisa Köppen, Thekla Saathoff und Hinrich Fecht. Foto: Archiv Hinrich Trauernicht
Wirbel um ein Baby: „Peper un Solt“ wurde 1985 aufgeführt. Es spielten (von links) Gerhard Heeren, Grete Heeren, Lisa Köppen, Thekla Saathoff und Hinrich Fecht. Foto: Archiv Hinrich Trauernicht

Gleich nach dem Zweiten Weltkrieg fanden sich junge Leute in lockerer Formation zusammen, die regelmäßig Theater spielten. Kriegsbedingt fehlten damals junge Männer; also schlüpften Frauen auch in männliche Rollen. Aufgeführt wurde in dieser Zeit auch „Spektakel in Kleihörn“. 1949 übernahm dann der örtliche Reichsbund das Laienspiel; so sollten auch Zuschauer zu den alljährlichen Winterfesten in das „Gartenhaus“ gelockt werden. Regie führte der Vorsitzende Reinder Hardy. Von 1953 bis 1956 war der Turnverein VfL Spetzerfehn für das Theaterspielen verantwortlich. Aufgeführt wurden „De Schelm van Möhlbrock“ oder „Dat Verlegenheitskind“.

Schulleiter Gert Garbe führte Regie

In den darauffolgenden Jahren waren es der Reichsbund oder nun auch die Freiwillige Feuerwehr Spetzerfehn, die Theateraufführungen anboten. Anlass waren oft die Winterfeste; im Anschluss gab es oft Tanzveranstaltungen. Es wurde nicht nur in Spetzerfehn gespielt: Mit Bühne und Zubehör ging es auf dem offenen Lastwagen von Heinrich Schoon auch in Nachbarorte – Wiesmoor, Mullberg, Neudorf, Voßbarg, Strackholt, Felde und Jheringsfehn standen auf dem Tourneeplan.

Arthur Hagen (von links), Gerhard Heeren, Anna Kleen und Lisa Köppen spielten 1979 „Petrus gifft Urlaub“. Foto: Archiv Hinrich Trauernicht
Arthur Hagen (von links), Gerhard Heeren, Anna Kleen und Lisa Köppen spielten 1979 „Petrus gifft Urlaub“. Foto: Archiv Hinrich Trauernicht

Ein Glücksfall war der junge Lehrer Gert Garbe: Er unterrichtete von 1964 bis 1969 an der Volksschule in Spetzerfehn, die 1961 am Ülkeweg neu gebaut worden war. Später wurde er Rektor der Förderschule in Wiesmoor. Ab 1967 führte er in der Theatergruppe Spetzerfehn Regie. Die ersten Aufführungen der nun selbstständigen Gruppe gab es bei Feuerwehrfesten oder Molkereifesten der Firma Balsen. „Up Düvels Schuuvkaar“ war 1967 das erste Stück, bei dem Garbe Regie führte. Nahezu 50 Jahre war Gert Garbe das „Gesicht“ des plattdeutschen Theaters in Spetzerfehn; erst 2015 wurde er von Andreas Meinen abgelöst.

100 Jahre Theater – keinesfalls altersmüde

Ein besonderes Anliegen von Gert Garbe war die Einbindung junger Schauspieler. So kam 1969 auch Lisa Feldhoff, damals Lisa Kleen, zur Bühne. Sie spielte gemeinsam mit ihrer Mutter Anna Kleen, die viele als „Heidi Kabel von Spetz“ bezeichneten. Lisa Feldhoff hörte vor zehn Jahren mit dem Spielen auf. Anlässlich des Jubiläums wirkt sie aber noch einmal mit. „Wir sind sehr froh, dass sie noch einmal dabei ist“, sagt Andreas Meinen, der viele Jahre gemeinsam mit ihr auf der Bühne gestanden hatte.

Jahrzehntelang waren Anna Kleen und Arthur Hagen Garanten für gutes plattdeutsches Theater auf dem Fehn; hier 1986 bei „Spektakel in Kleinhörn“. Foto: Archiv Hinrich Trauernicht
Jahrzehntelang waren Anna Kleen und Arthur Hagen Garanten für gutes plattdeutsches Theater auf dem Fehn; hier 1986 bei „Spektakel in Kleinhörn“. Foto: Archiv Hinrich Trauernicht

Seit das „Gartenhaus“ in Spetzerfehn 1986 für immer die Tore schloss, spielt die Theatertruppe im Bürgerhaus Großefehn. Davor war auch die alte Sporthalle in Ostgroßefehn schon Spielort. „Mit der Gemeinde Großefehn haben wir einen hervorragenden Partner“, lobte der langjährige Spölbaas Gert Garbe. 20 Akteure gehören heute der Theatergruppe an; am längsten dabei sind Dirk Ehmen und Johann Seeba, die seit 1976 kaum eine Aufführung verpasst haben und auch im aktuellen Stück mit von der Partie sind. Zu den schwierigsten Aufgaben gehört im Vorfeld neben der Auswahl des Stückes nämlich auch die Besetzung der Rollen. „Leider hatten wir in diesem Jahr gleich fünf Absagen“, bedauert Andreas Meinen.

Nachwuchssorgen hat die Spetzer Theatergruppe keine: In den letzten Jahren fanden immer wieder junge Spieler den Weg zur Bühne. Seit 100 Jahren wird in Spetzerfehn nun Theater gespielt – aber von Altersmüdigkeit keine Spur. Das gilt gleichermaßen fürs Publikum: Unter den 2500 Besuchern, die man bei allen Vorführungen zählt, sind stets auch viele junge Gesichter.

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