Lage im Überblick „Tag der Trauer“: Hamas will Leichen von Geiseln übergeben

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Von dpa
| 20.02.2025 04:48 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
Die Aufnahmen von Schiri Bibas und ihren Söhnen gingen um die Welt. Foto: Maya Alleruzzo/AP/dpa
Die Aufnahmen von Schiri Bibas und ihren Söhnen gingen um die Welt. Foto: Maya Alleruzzo/AP/dpa
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Aufnahmen einer zutiefst verängstigten Mutter und ihrer rothaarigen Söhne - beide noch Kleinkinder - gingen nach der Entführung im Oktober 2023 um die Welt. Gibt es jetzt Klarheit über ihr Schicksal?

Erstmals seit Beginn des Gaza-Kriegs vor fast eineinhalb Jahren will die islamistische Hamas am Donnerstag die Leichen von Menschen übergeben, die aus Israel verschleppt worden waren. Nach Hamas-Angaben und israelischen Medienberichten sollen unter den vier Toten eine Mutter und zwei Kleinkinder sein, die alle auch die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Bei der vierten Geisel-Leiche handelt es sich den Angaben zufolge um die eines älteren Mannes.

Das Büro des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu teilte am Abend vor der Übergabe mit, die Liste der Toten liege vor und die Familien seien informiert worden. Die sterblichen Überreste sollen im Gazastreifen zunächst dem Roten Kreuz und von diesem dann an Israel übergeben werden. In einem forensischen Institut nahe Tel Aviv soll ihre Identität festgestellt werden, danach werden die Angehörigen über das Ergebnis informiert. 

Die Aufnahmen von Schiri Bibas und ihren Söhnen gingen um die Welt. Foto: Maya Alleruzzo/AP/dpa
Die Aufnahmen von Schiri Bibas und ihren Söhnen gingen um die Welt. Foto: Maya Alleruzzo/AP/dpa

Gibt es nun Klarheit über das Los der Bibas-Familie? 

Das Schicksal von Schiri, Ariel und Kfir Bibas ist noch immer nicht zweifelsfrei geklärt. Videoaufnahmen der verängstigen Mutter und ihrer beiden rothaarigen Söhne, die bei der Entführung nach dem Massaker der Hamas-Terroristen im israelischen Grenzgebiet am 7. Oktober 2023 entstanden, gingen um die Welt.

Die Hamas hatte im November 2023 mitgeteilt, die drei seien bei israelischen Bombardements im Gazastreifen getötet worden. Von israelischer Seite gab es bislang für ihren angeblichen Tod keine abschließende Bestätigung. Die Armee äußerte aber mehrmals große Sorge über das Schicksal der Mutter und ihrer zwei Söhne. 

Der Vater der Kinder, Jarden Bibas, wurde kürzlich von der Hamas freigelassen. „Unglücklicherweise ist meine Familie nicht zu mir zurückgekehrt“, teilte er nach seiner Rückkehr nach Israel mit. „Mein Licht ist immer noch dort (im Gazastreifen), und solange sie dort sind, ist hier alles düster.“ 

Unter den freigelassenen war auch der Familienvater Jarden Bibas. (Archivbild) Foto: Abdel Kareem Hana/AP/dpa
Unter den freigelassenen war auch der Familienvater Jarden Bibas. (Archivbild) Foto: Abdel Kareem Hana/AP/dpa

Netanjahu spricht von „schwerem Tag“ für Israel

Regierungschef Netanjahu sagte, Israel stehe ein „schwerer Tag“ bevor. „Ein erschütternder Tag, ein Tag der Trauer.“ Es zerreiße der ganzen Nation das Herz, aber „es sollte der ganzen Welt das Herz zerreißen, weil hier zu sehen ist, mit wem wir es zu tun haben, mit welchen Monstern“.

Bis es abschließende Gewissheit über die Identität der ausgehändigten Leichen gibt, könnte es dauern. Israelische Medien meldeten unter Berufung auf Gesundheitsminister Uriel Busso, der Identifizierungsprozess könne einige Zeit in Anspruch nehmen. Auch die Todesursache solle geprüft werden. 

Der genaue Ablauf der Übergabe, die am Morgen in Chan Junis erwartet wird, war zunächst unklar. Bisherige Geisel-Freilassungen hatte die Hamas stets als Machtdemonstration und Spektakel für Schaulustige inszeniert. 

Mehr als 15 Monate hatten einige der Geiseln in der Gewalt ihrer Peiniger verbracht. (Archivbild) Foto: Abed Rahim Khatib/dpa
Mehr als 15 Monate hatten einige der Geiseln in der Gewalt ihrer Peiniger verbracht. (Archivbild) Foto: Abed Rahim Khatib/dpa

Rotes Kreuz ruft zu würdiger Übergabe auf 

Israelische Medien berichteten, ein Fahrzeug der Hamas werde die Leichen vermutlich zu Vertretern des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) bringen. Diese würden die Leichen dann noch im Gazastreifen der israelischen Armee übergeben, im Beisein eines Rabbiners. Die sterblichen Überreste sollten dann in Särge gelegt werden, die dann mit blau-weißen israelischen Flaggen eingewickelt würden. 

Das Rote Kreuz rief dazu auf, die Übergabe „auf private und würdige Weise“ zu gestalten. Jegliche erniedrigende Behandlung sei inakzeptabel. 

Im Gegenzug für die vier Leichen wird Israel Berichten zufolge alle Frauen und Minderjährigen freilassen, die seit Beginn des Gaza-Kriegs im Oktober 2023 festgenommen wurden und nicht am bewaffneten Kampf gegen Israel beteiligt gewesen sein sollen.

Übergabe von sechs weiteren Geiseln am Samstag erwartet

Sechs weitere israelische Geiseln sollen am Samstag freikommen, in der kommenden Woche dann vier weitere Leichen übergeben werden. Seit Beginn der Waffenruhe im Gaza-Krieg am 19. Januar ließen die Islamisten in mehreren Runden 19 Geiseln frei. Zusätzlich kamen fünf aus Israel entführte Thailänder unabhängig von der Vereinbarung frei. 

Das mehrstufige Abkommen zwischen Israel und der Hamas sieht vor, dass während einer ersten, sechswöchigen Phase nach und nach insgesamt 33 Geiseln im Austausch gegen 1.904 palästinensische Häftlinge freikommen. Acht dieser Geiseln sind nach Hamas-Angaben nicht mehr am Leben. 

Hamas-Mann misshandelt? Reservisten in Israel angeklagt

Israels Militärstaatsanwaltschaft hat derweil Armeeangaben zufolge Anklage gegen fünf Reservisten erhoben, die an der schweren Misshandlung eines palästinensischen Gefangenen beteiligt gewesen sein sollen. Ihnen wird vorgeworfen, dem Häftling schwere, auch sexualisierte Gewalt zugefügt zu haben. Israelische Medien zufolge misshandelten die Reservisten ein Hamas-Mitglied so brutal, dass der Mann verletzt ins Krankenhaus gebracht werden musste. Er soll demnach aus dem Gazastreifen stammen.

Die Angeklagten hätten am 5. Juli 2024 die Anweisung erhalten, den Häftling bei seiner Ankunft in der Militärbasis Sde Teiman nahe der Wüstenstadt Beerscheva zu durchsuchen, teilte Israels Militär mit. Dafür seien dem Gefangenen die Augen verbunden und seine Hände und Fußgelenke gefesselt worden. Die in halbjährigen Ermittlungen gesammelten Beweise seien „umfangreich und umfassten medizinische Unterlagen und authentisches Filmmaterial der installierten Überwachungskameras“, teilte die Armee mit.

Israelische Militärpolizisten hatten in dem Fall zunächst zehn Soldaten festgenommen, allerdings wurden fünf von ihnen später wieder freigelassen. Berichte über schlimme Bedingungen für palästinensische Häftlinge in israelischem Gewahrsam sind keine Seltenheit und machen immer wieder Schlagzeilen.

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