Kolumne „Frau am Freitag“ Albtraum Kitaplatz-Absage


Die Freundin weint: Ihre kleine Tochter wird keinen Platz im Kindergarten bekommen. Ein Problem, das nicht nur die Betroffenen, sondern die gesamte Gesellschaft betrifft, findet die Frau am Freitag.
„Wir haben ihn nicht bekommen“, sagt die Freundin am Telefon. Sie weint. Ihn, der über so vieles entscheidet, ihn, auf den sie so sehr gehofft hatte: den Kindergartenplatz für ihre dreijährige Tochter.
Die letzten Wochen verbrachten viele Freundinnen und Bekannte, alles Mütter von Kindern im Kindergartenalter, genau wie die Frau am Freitag: bangend vor dem Handy. Die Platzvergabe für den Kindergarten ist eine nervliche Zerreißprobe, vergleichbar mit dem Warten auf eine Jobzusage nach einem Bewerbungsgespräch. Oft steht nämlich nicht weniger auf dem Spiel als die berufliche Zukunft (darüber spricht die Frau am Freitag übrigens auch in ihrem Podcast – überall da, wo es Podcasts gibt).
„Nicht genügend Punkte“, das sei die Begründung für die Absage der Freundin gewesen. In Leer wird die Zuteilung der Plätze nach einem Punktesystem gestaltet. Es gibt Punkte dafür, ob bereits ein Geschwisterkind die Einrichtung besucht, ob man alleinerziehend ist – und eben dafür, ob und wie viel beide Elternteile arbeiten. Mütter müssen also arbeiten, um einen Kitaplatz zu bekommen – aber um arbeiten zu gehen, brauchen sie einen Kitaplatz. Dass die Rechnung nicht aufgehen kann, dürfte jedem klar sein.
Zu wenig Plätze, zu wenig Personal
Auch eine andere Freundin hat eine Absage bekommen. „Ich bin fix und fertig. Muss das erstmal sacken lassen“, schrieb sie. Und: „Dann muss ich noch ein Jahr zu Hause bleiben.“ Im Umfeld der Frau am Freitag werden in diesem Jahr wohl mehrere Familien leer ausgehen. Und das, obwohl der Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung seit 2013 besteht. Doch die Realität sieht anders aus. Zu wenig Kita-Plätze, zu wenig Personal: In der Stadt Leer haben im vergangenen Jahr mehr als 100 Kita-Plätze gefehlt.
Das ist nicht nur das Problem Hunderter weinender Mütter. Es ist ein Problem, das alle betrifft. Die Eltern, die ihre beruflichen und persönlichen Pläne auf Eis legen müssen. Die Haushaltskasse der Familie, in die nur einer einzahlt. Das Kind, das nicht frühzeitig den Kontakt zu Gleichaltrigen erfährt. Die Wirtschaft, in der Kaufkraft fehlt. Den Arbeitsmarkt, dem Kräfte fehlen, die Rentenkasse, in die weniger eingezahlt wird. Es ist ein Problem für unser ganzes Land.
Die Frau am Freitag möchte deshalb dringend raten: Klagt dagegen! Es gibt einen Rechtsanspruch auf Betreuung. Auch, wenn sich dadurch auf die Schnelle kein freier Platz ergibt: Dieses Problem muss sichtbarer werden, es muss Teil einer öffentlichen Debatte werden. Bis dahin hilft nur: Taschentücher raus, Kopf hoch, weiter machen – und tapfer bleiben.
Die „Frau am Freitag“ gibt es auch also Podcast
Alle Folgen und weitere Podcasts sind hier zu finden.