Serie „Fehntjer Geschichte(n)“ Helmut Kroon – Gläubiger Christ und Ostfriese durch und durch

| | 08.03.2025 16:51 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 7 Minuten
Helmut Kroon war Lehrer, Ostfriesland-Kenner und ein Macher. Seine Frau Hannelore beschreibt ihn als einen Menschen, der gern und oft für andere da war. Repro: Ullrich
Helmut Kroon war Lehrer, Ostfriesland-Kenner und ein Macher. Seine Frau Hannelore beschreibt ihn als einen Menschen, der gern und oft für andere da war. Repro: Ullrich
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Helmut Kroon aus Bagband war die plattdeutsche Sprache wichtig. Er sammelte Lieder und Tänze, um sie festzuhalten. Als Einläufer bei der Elfstedentocht 1997 schrieb er zudem Regionalgeschichte.

Bagband - Helmut Kroon (1950-2023) war Lehrer, Familienvater, gläubiger Christ, passionierter Schlittschuhläufer, Mitbegründer der Folk-Alternative Strackholt, Vereinsmensch und nicht zuletzt ein Motor der plattdeutschen Sprache sowie ostfriesischen Kultur – und noch so vieles mehr. Sein Engagement war so vielfältig, dass es unmöglich ist, alles detailliert abzubilden. All das ist wie Helmut Kroon selbst tief verwurzelt in Bagband, wo er geboren wurde und nahezu sein ganzes Leben verbrachte, erzählt seine Witwe Hannelore Kroon bei einem Gespräch in dem Haus, in dem schon sein Vater, der Landschaftsmaler Hermann Kroon, gelebt hatte. Nach drei Generationen im Malerberuf schlug Helmut Kroon mit seinem Lehramtsstudium in Oldenburg in seiner Familie übrigens ganz neue Wege ein.

Schöfeln hatte in der Familie Kroon Tradition. „Es sitzt drin bei uns in der Familie“, ist Hannelore Kroon überzeugt. Das Gemälde erschuf Helmut Kroons Vater Hermann Kroon, Heimatmaler aus Bagband. Schon dessen Eltern waren bei Eis auf den Kanälen oder überfluteten Wiesen unterwegs. Foto: Ullrich
Schöfeln hatte in der Familie Kroon Tradition. „Es sitzt drin bei uns in der Familie“, ist Hannelore Kroon überzeugt. Das Gemälde erschuf Helmut Kroons Vater Hermann Kroon, Heimatmaler aus Bagband. Schon dessen Eltern waren bei Eis auf den Kanälen oder überfluteten Wiesen unterwegs. Foto: Ullrich

„Er war Ostfriese durch und durch“, erzählt Hannelore Kroon über ihren 2023 im Alter von 73 Jahren nach langer, schwerer Krankheit verstorbenen Mann. Er liebte die Sprache und Kultur seiner Heimat, zu der auch das Schöfeln gehörte. Im Hause Kroon begab man sich seit jeher aufs Eis, sobald dies trug: Und Helmut Kroon sollte mit dieser Begeisterung Anfang 1997 sogar Regionalgeschichte schreiben. Über seine Kontakte bei der Ostfriesischen Landschaft, für die er jahrzehntelang tätig war, gelang es ihm, für sich und seinen Freund Erhard Brüchert zwei Tickets via Sondererlaubnis für die Teilnahme an der Elfstedentocht zu lösen. Diese auf Deutsch auch Elf-Städte-Tour genannte sportliche Großveranstaltung führte die Läufer über Kanäle von Leeuwarden über zehn weitere friesische Städte bis an den Rand des Ijsselmeeres und zurück – und nicht zuletzt auch an ihre eigenen körperlichen Grenzen.

200 Kilometer auf dem Eis – in 16 Stunden

Es ist ein historisches Erlebnis – nicht zuletzt, weil Kroon und sein Begleiter die ersten Deutschen gewesen sein sollen, die mitfuhren. Seit 1909 wird die Tour immer dann veranstaltet, wenn das Eis mindestens 15 Zentimeter dick ist und damit definitiv die Läufer trägt. Seit 1997 kam das nicht mehr vor. Und auch zuvor waren es nur 15 Jahre, in denen das Rennen stattfinden konnte. Für die Niederländer ist jede einzelne Auflage ein bedeutendes kulturelles Ereignis, bei dem Berichten zufolge um die 1,5 Millionen Zuschauer die Strecke säumen. Während Brüchert später zugab, auch aufgrund von Stürzen mehrfach ans Aufgeben gedacht zu haben, ermunterte Kroon seinen Begleiter, weiterzumachen. Aufgeben sei für ihn nicht infrage gekommen.

Im Jahr 1997 nahm Helmut Kroon (rechts) an der Seite seines Freundes Erhard Brüchert an der letzten Elfstedentocht teil. Repro: Ullrich
Im Jahr 1997 nahm Helmut Kroon (rechts) an der Seite seines Freundes Erhard Brüchert an der letzten Elfstedentocht teil. Repro: Ullrich

Von insgesamt 16.500 Startern im Januar 1997 schafften es nur rund 9700 ins Ziel. Innerhalb von etwas mehr als 16 Stunden legten Kroon und Brüchert Seite an Seite bei frostigen Temperaturen, teils Gegenwind und immer heftiger werdender Erschöpfung 200 Kilometer auf dem Eis zurück. Für Helmut Kroon war das nur der Höhepunkt seiner Begeisterung fürs Schöfeln. Wann immer das Eis trug, zog es ihn hinaus, verrät Hannelore Kroon. „Wenn eisfest war, dann war er auf dem Eis. Er war immer in Übung.“ Ganze Tage brachte er auf dem Eis zu, lief quer durch Ostfriesland, wenn es seine anderen Aktivitäten zuließen. Die 74 Jahre alte gebürtige Strackholterin hatte Helmut Kroon 1973 geheiratet. Zwei Töchter und fünf Enkel gingen aus dieser Ehe hervor. Ab 1978 lebte das Paar gemeinsam in Bagband.

„Mit Leib und Seele Lehrer“

Helmut Kroon unterrichtete während seiner gesamten beruflichen Laufbahn an der Realschule in Hesel. „Er konnte mit dem Fahrrad zur Schule“, erinnert die 74-Jährige sich. Er unterrichtete Deutsch, Sport und Geografie in den Klassen 7 bis 10. „Er war erst ein strenger Lehrer – und dann nett und zugewandt.“ Ihr Mann habe oft Besuch von Jugendlichen gehabt. „Wenn die Schüler entlassen wurden, haben wir hier im Garten meist noch gegrillt.“ Helmut Kroon hatte mit seinem Beruf offenbar seine Berufung gefunden: „Er war ja mit Leib und Seele Lehrer“, resümiert seine Ehefrau.

Als Autor im Arbeitskreis des Regionalen Pädagogischen Zentrums (RPZ) der Ostfriesischen Landschaft schuf er zahlreiche Werke, die noch heute an Schulen und Kindergärten zum Einsatz kommen. Foto: Ullrich
Als Autor im Arbeitskreis des Regionalen Pädagogischen Zentrums (RPZ) der Ostfriesischen Landschaft schuf er zahlreiche Werke, die noch heute an Schulen und Kindergärten zum Einsatz kommen. Foto: Ullrich

Darüber hinaus habe er sich sehr für Plattdeutsch an Schulen eingesetzt. „Die plattdeutsche Sprache war ihm wichtig.“ Und diese Passion ging weit über den Unterricht hinaus: Der Donnerstag beispielsweise sei immer für die Ostfriesische Landschaft reserviert gewesen, erzählt Hannelore Kroon. Mit Unterstützung anderer Mitarbeiter sammelte er alte ostfriesische Lieder, Tänze und Spiele. Als Autor im Arbeitskreis des Regionalen Pädagogischen Zentrums (RPZ) der Ostfriesischen Landschaft veröffentlichte er die gesammelten Werke und hielt sie so für die Nachwelt fest. Auf sein Wirken angesprochen, sagt beispielsweise Kerstin Buss, Vorsitzende des Fehnmuseum Eiland in Westgroßefehn, er habe viel für Ostfriesland getan. Es hallt nach, nicht zuletzt in Broschüren wie „Mien Lüttje Lateern“ oder „Mit Kippkappkögels kom‘n wi an“, die an Schulen und Kindergärten verteilt wurden und dort noch heute zum Einsatz kommen.

Helmut Kroon – ein gläubiger Christ

Die Begeisterung für Musik war für Helmut Kroon auch der Motor, der 1975 ihn zur Gründung der Folk-Alternative Strackholt antrieb: „Er wollte auf dem Lande was machen, damit man nicht immer in die Stadt musste. Das war ein Begriff in der Szene“, sagt Hannelore Kroon nicht ohne Stolz. „Wir waren der zweitälteste Folk-Club Deutschlands.“ In diesem Jahr wäre die Initiative 50 Jahre alt geworden – wurde jedoch 2005 aufgelöst.

Erhard Brüchert (links) und Helmut Kroon auf einem Schnappschuss der Elfstedentocht im Jahr 1997. Foto: Ullrich
Erhard Brüchert (links) und Helmut Kroon auf einem Schnappschuss der Elfstedentocht im Jahr 1997. Foto: Ullrich

Und dann ist da noch der Glaube, der zuletzt so viel Raum im Leben der Kroons einnahm – und ihnen half, die Jahre der schweren Erkrankung Helmut Kroons mit Positivität zu begegnen. „Es war ein ganz seltener Tumor“, der in seinem Rücken diagnostiziert worden war. Etwa 15 Jahre bekämpfte er den Krebs, in dessen Folge er irgendwann auf den Rollstuhl angewiesen war und immer wieder operiert werden musste. Die Erkrankung ihres Mannes habe vieles verändert, aber nicht unbedingt zum Schlechteren, berichtet Hannelore Kroon: „Die Tage sind kostbarer. Wir haben 15 Jahre viel bewusster gelebt als wir es sonst getan hätten.“

Helmut Kroon war gern für andere da

Ohnehin war Trübsal blasen gar nicht die Art des Ostfriesen: „Mein Mann war ja immer gut drauf.“ Nicht zuletzt, weil er so erfüllt gewesen sei von seinem Glauben. Hannelore Kroon weiß noch genau, welcher kleine Funke dieses Feuer zum Brennen gebracht hatte Schüler hätten ihn auf Zeltmission eingeladen. „Da gehen wir hin – Die Schüler freuen sich“, hieß es damals. Es habe ihnen so gut gefallen, dass unzählige weitere Gespräche über Gott folgten. „Weil wir so erfüllt von Gottes Wort waren.“ In Bibelgesprächskreisen und mit der Gründung einer freien Gemeinde in Hesel zementierte das Paar das Fundament seines Glaubens. 2001 begann Helmut Kroon darüber hinaus mit der Übersetzung und Gestaltung des Richtwoorden-Kalenders. Den nannte er einmal eine Einladung dazu, die Bibel zu lesen. Richtwoorden waren für ihn die biblischen Worte und Sprüche, über die man nachdenken und an denen man sein Leben ausrichten soll.

Ein Blick in den Flur des Hauses, in dem die Familie Kroon seit Generationen in Bagband lebt: Die Gemälde von Hermann Kroon hängen hier dicht an dicht. Mittendrin immer wieder Motive vom Eislaufen. Foto: Ullrich
Ein Blick in den Flur des Hauses, in dem die Familie Kroon seit Generationen in Bagband lebt: Die Gemälde von Hermann Kroon hängen hier dicht an dicht. Mittendrin immer wieder Motive vom Eislaufen. Foto: Ullrich

Die Bibelgesprächskreise trafen sich nicht selten im großzügigen Heim der Kroons, denn dort war Platz für alle. Im Austausch mit anderen sei gelacht und geweint worden, erinnert sich die 74 Jahre alte Hausherrin. Probleme wurde gewälzt, Seelsorge gelebt. „Das war nie eine traurige Sache – Wir hatten immer Spaß“, erinnert sich die Witwe versonnen und ergänzt liebevoll: „Mein Mann strahlte vor Liebe.“ Obwohl er eigentlich eher „ein Ruhiger“ gewesen sei, sei er stets für seine Mitmenschen präsent gewesen. „Er nahm sich immer Zeit für alle.“ Nicht zuletzt, weil er so große Freude daran hatte, seinen Glauben mit anderen zu teilen. „Er hat immer von Jesus erzählt. Es war seine Herzensangelegenheit.“ Helmut Kroon war ein Mann, der gern für andere da war und half, wo er konnte: „Wenn die Leute etwas über Ostfriesland wissen wollten, dann riefen sie hier an.“

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