Finanzpaket Bundestag stimmt für historisches Schuldenpaket

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Von den dpa-Korrespondentinnen und -Korrespondenten
| 18.03.2025 04:55 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 6 Minuten
Ohne Reformen und Sparen geht es auch mit dem Milliarden-Paket nicht, meint Merz. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Ohne Reformen und Sparen geht es auch mit dem Milliarden-Paket nicht, meint Merz. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
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Sechs Stunden tagt das Parlament. Dann ist das Milliarden-Finanzpaket von Union und SPD beschlossen. Für die nötige Zweidrittelmehrheit zur Grundgesetzänderung sorgt eine künftige Oppositionspartei.

Der Bundestag hat mit Zweidrittelmehrheit das Grundgesetz geändert und damit das historische Milliarden-Finanzpaket für Verteidigung und Infrastruktur beschlossen. Für die Änderung von vier Artikeln der Verfassung stimmten laut Ergebnisliste des Bundestags 512 Abgeordnete, 206 votierten dagegen, es gab keine Enthaltung. Erforderlich waren mindestens 489 Stimmen. Neben CDU, CSU und SPD hatten auch die Grünen angekündigt, das Vorhaben zu unterstützen.

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas hatte in der Sitzung leicht andere Zahlen verkündet, nämlich 513 Ja-Stimmen und 207 Nein-Stimmen. Das wurde nachträglich korrigiert. 

Nun muss am Freitag noch der Bundesrat zustimmen, um den Weg für Milliarden-Investitionen in die deutsche Verteidigungsfähigkeit und in marode Verkehrswege, Energienetze, Schulen oder Sportanlagen freizumachen. Auch in den Klimaschutz sollen Milliarden fließen.

Union und SPD verteidigen extreme Schuldenaufnahme 

Unions-Fraktionschef Friedrich Merz (CDU), der neuer Bundeskanzler werden will, rechtfertigte die geplanten Schulden mit der Sicherheit Deutschlands, Europas und der Nato. Von der Entscheidung des Bundestags hänge nicht nur die deutsche Verteidigungsfähigkeit ab. „Unsere Verbündeten in der Nato und der Europäischen Union schauen heute ebenso auf uns wie unsere Gegner und wie die Feinde unserer demokratischen und regelbasierten Ordnung.“ 

SPD-Fraktionschef Lars Klingbeil warb mit Vorteilen der geplanten Investitionen für Bürgerinnen und Bürger. „Dieses Paket wird die Mehrheit der Menschen in ihrem Alltag entlasten.“ Die geplante Grundgesetzänderung sei eine „wichtige Chance“, Deutschland wieder stark zu machen. „Die Welt wird gerade neu vermessen. Niemand wartet auf Deutschland - und niemand wartet auf Europa.“ 

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) erklärte: „Unsere Sicherheit darf nicht durch haushaltspolitische Zwänge gefährdet werden.“ 

FDP und AfD kritisieren Schuldenmacherei

Scharfe Kritik kam hingegen von FDP und AfD. FDP-Fraktionschef Christian Dürr, dessen Partei dem nächsten Bundestag nicht mehr angehören wird, warf der Union vor, sich gegen den wirtschaftlichen Erfolg des Landes zu entscheiden. „Viel Geld, keine Reformen. Das wird Ihre Kanzlerschaft kennzeichnen“, sagte Dürr an Merz gewandt. Dieser verkaufe die Änderung des Grundgesetzes als notwendige Anpassung an neue Herausforderungen. „Tatsächlich ist es der Startschuss für hemmungslose Schuldenmacherei.“

Der AfD-Fraktionsvorsitzende Tino Chrupalla warf Merz vor, nicht nur kein Rückgrat zu haben, sondern inzwischen „komplett wirbellos“ zu sein. „Hier soll planlos die Staatsverschuldung in den Himmel getrieben werden“, bemängelte er. „Sondervermögen sind und bleiben Sonderschulden.“

Grünen-Fraktionschefin Haßelmann ging Merz und Union scharf an - will aber zustimmen. Foto: Michael Kappeler/dpa
Grünen-Fraktionschefin Haßelmann ging Merz und Union scharf an - will aber zustimmen. Foto: Michael Kappeler/dpa

Grüne rechnen mit Union ab 

Die Grünen, die für das Zustandekommen der Zweidrittelmehrheit nötig waren, hatten zwar das Paket mit CDU, CSU und SPD ausgehandelt. Fraktionschefin Britta Haßelmann ließ sich die Chance zur Abrechnung mit Merz aber nicht nehmen. Alle, auch Merz, hätten längst gewusst, dass Deutschland dringend Investitionen und mehr Geld für die Verteidigung brauche. Er und seine Partei aber hätten das öffentlich nie zugegeben und die Grünen sogar noch für entsprechende Forderungen diffamiert. „Aber ich bin dennoch in der Sache froh, dass wir das jetzt heute so entscheiden, denn es ist notwendig für unser Land“, sagte Haßelmann.

Was genau geplant ist

Bei Verteidigung und Infrastruktur gibt es in Deutschland einen riesigen Investitionsstau. Union und SPD, die gerade über eine gemeinsame Bundesregierung verhandeln, wollen diesen über neue Schulden auflösen. Zusammen mit den Grünen wurde Folgendes vereinbart:

Die Schuldenbremse - die der Neuverschuldung des Bundes enge Grenzen setzt - soll für Ausgaben in Verteidigung, Zivilschutz, Nachrichtendienste und Cybersicherheit gelockert werden. Für alle Ausgaben in diesen Bereichen, die ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts überschreiten, dürfen Kredite aufgenommen werden - das wäre nach Rechnung der Politiker in diesem Jahr alles über etwa 44 Milliarden Euro.

Außerdem wird ein Sondervermögen geschaffen, für das die Schuldenbremse nicht gilt und das mit Krediten bis zu 500 Milliarden Euro gefüttert wird. Daraus soll die Instandsetzung der maroden Infrastruktur bezahlt werden. 100 Milliarden Euro sollen an die Länder gehen, weitere 100 Milliarden Euro sollen fest in Klimaschutz und den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft fließen. 

Das Geld darf aber nur fließen, wenn im normalen Kernhaushalt eine angemessene Investitionsquote gilt - damit wollen die Grünen verhindern, dass das Geld genutzt wird, um auf Umwegen Wahlgeschenke zu finanzieren.

SPD-Fraktionschef Klingbeil fordert Modernisierung Deutschlands. Foto: Michael Kappeler/dpa
SPD-Fraktionschef Klingbeil fordert Modernisierung Deutschlands. Foto: Michael Kappeler/dpa

Union und SPD betonen Reformzwang

Union und SPD betonten, dass es ungeachtet der hohen schuldenfinanzierten Investitionen einen großen Spar- und Reformbedarf in Deutschland gebe. Diese Investitionen verringerten nicht den Konsolidierungsbedarf der öffentlichen Haushalte, sagte Merz. „Das Gegenteil ist richtig“. Eine steigende Verschuldung löse steigende Zinsen aus und rufe auch nach Tilgungsplänen, sagte der CDU-Chef. „Damit stehen der Bund, die Länder und die Gemeinden in den nächsten Jahren unter erheblichem Konsolidierungsdruck.“

SPD-Chef Klingbeil hält eine grundlegende Modernisierung des Landes für nötig. Geld alleine könne die Herausforderungen, vor denen das Land stehe, nicht lösen. „Wir müssen überall effizienter, zielgenauer und professioneller werden.“ Es brauche dringend Reformen, die die SPD in einer künftigen Bundesregierung gemeinsam mit der Union angehen wolle. Bürokratie müsse zurückgebaut werden, dafür brauche es einen „Mentalitätswechsel“.

Acht BSW-Abgeordnete handeln sich für eine unzulässige Protestaktion Ordnungsrufe ein. Foto: Michael Kappeler/dpa
Acht BSW-Abgeordnete handeln sich für eine unzulässige Protestaktion Ordnungsrufe ein. Foto: Michael Kappeler/dpa

BSW verursacht Eklat 

Das BSW verabschiedete sich mit einem Eklat aus dem Bundestag, in dem es künftig nicht mehr sitzen wird. Nach der Rede der Vorsitzenden Sahra Wagenknecht hielten Abgeordnete Transparente mit der Aufschrift „1914 wie 2025: NEIN zu Kriegskrediten!“ in die Höhe. Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) erteilte den insgesamt acht Abgeordneten Ordnungsrufe für die unzulässige Aktion. Wagenknecht hatte zuvor erklärt, Deutschland sei auf dem Weg zum wirtschaftlichen Zwerg - „und die dafür verantwortlichen Politiker kompensieren ihre Unfähigkeit durch außenpolitische Großmannssucht und beispiellose Hochrüstung“.

Auch der Vorsitzende der Linken-Gruppe im Bundestag, Sören Pellmann, warnte vor „Aufrüstung und Militarisierung in nie gekanntem Ausmaß“.

Die weiteren Schritte 

Nicht nur im Bundestag ist eine Zweidrittelmehrheit nötig, sondern auch im Bundesrat. Diese dürfte aber stehen, nachdem sich in Bayern am Montag CSU und Freie Wähler auf eine Zustimmung geeinigt hatten. Die Länder profitieren von dem Paket auch deutlich: Nicht nur bekommen sie 100 der 500 Milliarden Euro für Infrastruktur und Klimaschutz. Sie dürfen dann künftig zusammen auch Schulden in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufnehmen - bisher gilt für die Länder eine Schuldengrenze von null. 

Sollte auch die Länderkammer zustimmen, fehlt nur noch die Ausfertigung des Gesetzes durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Dieser muss prüfen, ob die Grundgesetzänderung nach den Vorschriften der Verfassung zustande gekommen ist. Dem Vernehmen nach haben die Juristen im Bundespräsidialamt mit dieser Prüfung bereits parallel zum Gesetzgebungsverfahren begonnen, um diese schnell abschließen zu können. Dass das Bundesverfassungsgericht das Verfahren vor der Abstimmung im Bundestag schon für rechtens erklärt hat, dürfte es Steinmeier leicht machen, seine Unterschrift unter das Gesetz zu setzen.

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