Torwart-Entscheidung Das bedeutet Baumanns Beförderung zur Nummer eins


Der Bundestrainer vertraut im Viertelfinale der Nations League einem Spätberufenen im DFB-Tor. Die Ernennung von Oliver Baumann zur Nummer eins ist eine Zwischenlösung. Das Thema schwelt weiter.
Offiziell zur Nummer eins wird Oliver Baumann von Julian Nagelmann wohl erst bei der Pressekonferenz am Mittwoch (18.30 Uhr) in Mailands legendärem Giuseppe-Meazza-Stadion ernannt. Doch spätestens mit der Präsentation der Rückennummern der Fußball-Nationalmannschaft für die Viertelfinalspiele in der Nations League gegen Italien war klar: Der Schlussmann der TSG 1899 Hoffenheim wird mit 34 Jahren zumindest vorläufig Deutschlands Stammtorwart.
Baumann bekam die Eins, Alexander Nübel die Zwölf und muss sich am Donnerstag (20.45 Uhr/ARD) in Mailand und am Sonntag (20.45 Uhr/RTL) in Dortmund bei den K.o.-Spielen gegen die Squadra Azzurra mit der Reservisten-Rolle abfinden.
Damit endet das Vier-Spiele-Casting der beiden, das Nagelsmann nach der schweren Knieverletzung seiner eigentlichen Stammkraft Marc-André ter Stegen im vergangenen Jahr ausgerufen hatte. Die Torwartfrage im Nationalteam wird aber im Vorjahr der WM ein Thema bleiben.
Wieso macht Nagelmann Baumann zur Nummer eins für die Italien-Spiele?
Die entscheidenden Argumente für Baumann und gegen Nübel lauten Stabilität und Konstanz. In diesen Kategorien hat der 34-Jährige einen Vorsprung vor seinem sechs Jahre jüngeren Kontrahenten. Verrückte Dinge sind von Baumann nicht zu erwarten, möglicherweise pariert er auch weniger vermeintlich unhaltbare Bälle.
Aber mit seiner Ruhe und Erfahrung kann er in den brisanten Italien-Duellen ein wichtiger Faktor sein. Diesen Eindruck hinterließ er auch in seinen beiden Länderspielen gegen die Niederlande (1:0) und Bosnien-Herzegowina (7:0) im Oktober und November.
Was bedeutet die Entscheidung für Konkurrent Alexander Nübel?
Natürlich ist der Platz auf der Bank eine Enttäuschung für den VfB-Torwart. Wie schon manches Mal in seiner bewegten Karriere muss sich Nübel hinten anstellen. Der Vorteil: Er kennt sich mit der Situation aus, wird kaum klein beigeben. Und wenn Baumann und eines Tages ter Stegen nicht mehr für Deutschland spielen, ist er in der Pole Position. Dranbleiben heißt es jetzt für die Stuttgarter Bayern-Leihgabe. Manchmal gehen die Dinge im Fußball schnell. Eine Verletzung, ein Platzverweis - und schon wäre Nübel doch dran.
Wird im Juni für das Final Four oder die WM-Qualifikation neu entschieden?
Das hängt maßgeblich von der Leistung Baumanns gegen Italien ab. Zeigt er gute Auftritte, ist seine Position gefestigt. Dann spricht nichts dagegen, dass er bis zu ter Stegens Rückkehr im Tor bleibt. Wobei noch nicht klar ist, wann der Schlussmann des FC Barcelona wieder einsatzbereit und in Topverfassung sein wird. Die Tendenz geht eher Richtung zweite Jahreshälfte.
Was passiert, wenn Marc-André ter Stegen zurückkommt?
Nagelsmann hatte nach der EM klar gesagt: ter Stegen ist der Nachfolger von Manuel Neuer im deutschen Tor. Und diese Haltung hatte er auch gleich nach der niederschmetternden Diagnose bekräftigt. Kommt der 32-Jährige also fit und in Form zurück, wird er Baumann wieder ablösen.
Möglicherweise war dieses Rückkehr-Szenario von ter Stegen sogar ein Plus für Baumann gegenüber Nübel. Ansprüche für die Zukunft stellt der 34-Jährige nicht mehr. Das erleichtert das zu erwartende Wechselspiel im Herbst für Nagelsmann.
Wie steht es generell um Deutschland als Torwartland?
Manche Experten sehen ein Vakuum nach dem DFB-Rücktritt von Über-Torwart Neuer. DFB-Sportdirektor Rudi Völler trat dem nun entgegen. „Ganz so schwarz sehe ich nicht, wir haben gute Torhüter“, sagte er vor dem Italien-Duell.
Fakt ist aber: Außer ter Stegen (42 Länderspiele) gibt es keine Alternative mit viel Länderspielerfahrung. Baumann und Nübel spielten im Herbst je zweimal. Bernd Leno (9) ist beim FC Fulham in guter Form, hat sich mit seiner Ablehnung der Rolle als dritter Mann aber bei Nagelsmann unbeliebt gemacht. Die hat derzeit Stefan Ortega Moreno von Manchester City inne - ohne jeden DFB-Einsatz.
Im Schatten wächst eine junge Generation heran. Noah Atubolo (22 Jahre) vom SC Freiburg oder Bayerns aktueller und perspektivischer Neuer-Erbe Jonas Urbig (21) könnten eines Tages zu einem neuen Duell um die deutsche Nummer eins antreten.