Lebensmittel-Warnung
300 Gramm Ems-Fisch pro Monat können gesundheitsschädlich sein

In Fischen aus der Ems und anderen Flüssen sind Schadstoffe nachgewiesen worden, die krebserregend sein könnten. Das Verbraucherschutz-Ministerium warnt schon vor einer monatlichen Dosis von 300 Gramm Fischfilet aus niedersächsischen Flüssen.
Ostfriesland - Vom „regelmäßigen Verzehr von Fisch aus Flüssen in Niedersachsen“ sollen Angler „Abstand nehmen“, rät das niedersächsische Landwirtschafts- und Verbraucherschutz-Ministerium. Anlass für diese Warnung gab ein Schadstoff-Monitoring des Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES). „Zwischen Oktober 2018 und Februar 2020 wurden Aale, Brassen und Zander aus niedersächsischen Flussabschnitten der Elbe, Ems, Weser, Aller und Oste“ auf verschiedene Stoffe untersucht – unter anderem auf Dioxine, PCB (Polychlorierte Biphenyle) und PFOS.
PFOS steht für Perfluoroctansulfonsäure – sie wurde laut Verbraucherschutz-Ministerium in allen untersuchten Fischproben gefunden. Die Industriechemikalie gehöre zu einer Stoffgruppe, die wegen „ihrer öl- und wasserabweisenden Eigenschaften vielfach zur Beschichtung zum Beispiel von Papier oder Kleidung verwendet“ werde.
Wie die Chemikalie im menschlichen Körper wirken könnte
PFOS sei „aufgrund ihres weitreichenden Einsatzes und ihrer enormen chemischen Stabilität überall verbreitet“, so das LAVES. Sie sei „in Böden, Gewässern, Fleisch und Organen von Tieren und im Menschen nachgewiesen“ worden. Laut Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist PFOS „in der Umwelt schwer abbaubar“. Aus Tierversuchen sei bekannt, dass PFOS die Leber schädige und „vermutlich krebserzeugend“ wirke. Der Stoff könne zudem den Fettstoffwechsel, die Schilddrüsenfunktion und das Immunsystem beeinflussen.
Die Substanz werde nicht verstoffwechselt und vor allem über den Urin ausgeschieden – aber „sehr langsam“, erklärt das Bundesinstitut. Laut LAVES dauert es rund fünf Jahre, bis sich der PFOS-Gehalt im menschlichen Körper halbiert. Aufgrund der langen Halbwertszeiten habe die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit im Jahr 2018 die Referenzwerte für PFOS „erheblich abgesenkt“, so das Landesamt. Grenzwerte gibt es bislang noch nicht.
Wie belastet die untersuchten Fische aus Flüssen wie der Ems waren
Die neuen Richtwerte haben in Verbindung mit der Untersuchung von niedersächsischen Flussfischen zu der Warnung des Landesministeriums geführt. Der „tolerierbare Wert einer täglichen Aufnahmemenge“ liege bei 1,8 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht, pro Woche seien es 13 Nanogramm pro Kilo. Dieser Richtwert werde – ausweislich des Schadstoff-Monitorings und der Berechnungen des LAVES – beim täglichen Verzehr von 300 Gramm Fischfilet „bei allen untersuchten Fischarten und Flussabschnitten“ überschritten, informiert das Ministerium. Bei 83 Prozent der Fischproben werde der Wert auch dann überschritten, wenn nur 300 Gramm Fischfilet pro Woche gegessen würden. Selbst bei einer Monatsdosis von 300 Gramm „überschreiten noch 37 Prozent der Fischproben den Orientierungswert“. Nach Auffassung des Ministeriums „kann es nicht ausgeschlossen werden, dass vergleichbare Gehalte auch in anderen Fischarten und anderen niedersächsischen Fließgewässern gefunden werden“ – aufgrund der weiten Verbreitung von PFOS und ähnlichen Stoffen, ihren chemischen und thermischen Eigenschaften sowie ihrer Anreicherung im Fischkörper. Darüber hinaus sei eine „nach wie vor hohe Belastung von Brassen und Aalen mit Dioxinen und PCB festzustellen“ gewesen. Zander seien diesbezüglich „weniger stark belastet“.
Die Herstellung, der Handel und die Verwendung von PFOS seien in der Europäischen Union inzwischen „weitestgehend beschränkt“, schreibt das Bundesinstitut für Risikobewertung.
Unsere Zeitung hat Anfragen an die niedersächsischen Ministerien für Verbraucherschutz, Umwelt und Gesundheit gerichtet. Mit einer Beantwortung ist in der kommenden Woche zu rechnen.